Erstmals setzen sich deutsche Städte an die Spitze der beliebtesten Ziele für Gewerbeimmobilieninvestments – Deutschland ist der begehrteste Markt Europas. Der Konjunkturaufschwung macht den Standort attraktiv. Für Anleger hat der Boom zwei Seiten.
Für sein erstes Immobilieninvestment in Deutschland hatte sich Paul Brundage etwas ganz Besonderes ausgesucht. Der Vizechef des Immobilieninvestors Oxford Properties – Tochter des riesigen kanadischen Pensionsfonds Omers aus Ontario – präsentierte sich Anfang Oktober als neuer Eigentümer des „Sony Centers“ in Berlin. Für das von Stararchitekt Helmut Jahn entworfene Ensemble zahlt die Altersversorgungseinrichtung für die öffentlichen Angestellten im Bundesstaat Ontario rund 1,1 Milliarden Euro – ein stattlicher Preis, verglichen mit dem, was der Verkäufer einst für die Immobilienikone mitten in der deutschen Hauptstadt gezahlt hatte. Der südkoreanischen Staatsfonds National Pension Service (NPS) war vor sieben Jahren für rund 570 Millionen Euro zum Zuge gekommen.
Der Deal zeigt, was derzeit geht auf Deutschlands Gewerbeimmobilienmarkt – und wo das Land im internationalen Vergleich inzwischen steht. Viele Jahrzehnte lang waren die Kräfteverhältnisse auf dem europäischen Markt für Gewerbeimmobilien klar verteilt: Unangefochtener Spitzenreiter in der Investorengunst war Großbritannien, erst dann folgten mit großem Abstand Deutschland und Frankreich. Das hat sich gewandelt – nicht allein, aber auch wegen der Entscheidung der Briten, die Europäische Union zu verlassen.
„Deutschland ist aktuell bei ausländischen Käufern das bevorzugte Land für Gewerbeimmobilieninvestments und der begehrteste Markt Europas“, sagt Thomas Schneider, Chefanlagestratege bei der Investmentplattform Brickvest. Regelmäßig erkundigt sich das Unternehmen bei Großanlegern unter anderem nach deren geografischer Präferenz beim Kauf von Bürohäusern, Shoppingcentern, Lagerhallen oder Hotels. Im September 2017 gab es eine Premiere: Ein Drittel der Befragten nannte Deutschland als den von ihnen präferierten Standort – das sind vier Prozentpunkte mehr als im selben Monat des Vorjahrs. Großbritannien stand bei nur noch 27 Prozent der Befragten auf Platz eins, ein Rückgang um fünf Prozentpunkte.
Es scheint die logische Folge des Booms, der bereits seit mindestens 2010 die deutschen Gewerbeimmobilienmärkte von Rekord zu Rekord treibt – Ende offen. Das am Dienstag veröffentlichte Stimmungsbarometer zur deutschen Immobilienkonjunktur, das die Pfandbriefbank Deutsche Hypo regelmäßig veröffentlicht, zeigt sich von allen Unwägbarkeiten wie einer unklaren Regierungsbildung oder der sich womöglich abzeichnenden geldpolitischen Wende der Europäischen Zentralbank völlig unbeeindruckt: Im November steigt der Index auf einen neuen Rekordwert.
Seit Beginn der Erhebung im Jahr 2008 habe sich die Immobilienkonjunktur noch nie so robust wie heute erwiesen, kommentiert Deutsche-Hypo-Chef Andreas Pohl das Ergebnis. Als Grund für den Optimismus der Investoren führt er die positive Konjunktur ins Feld: Die Wirtschaftsweisen erwarten für 2017 ein Wachstum von zwei Prozent, für 2018 gehen sie von 2,2 Prozent aus. „Ein solches Wachstum wirkt sich natürlich auch auf unsere Branche positiv aus“, sagt Pohl – und meint damit die Finanzierer und Projektentwickler, die Berater, Verwalter und Eigentümer von Immobilienvermögen.
Deutschland ist der begehrteste Markt – Nicht überall läuft es gleich gut
Für alle, die noch investieren wollen, hat der Boom zwei Seiten. Die Kaufpreise sind inzwischen so hoch, dass es immer schwieriger wird, angemessene Renditen zu erzielen. Über alle sieben deutschen Metropolen hinweg – Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München und Stuttgart – lag die Spitzenrendite für Büroimmobilien am Ende des dritten Quartals bei 3,4 Prozent und damit nochmals acht Basispunkte unter dem Wert im zweiten Quartal, hat das Beratungshaus JLL ermittelt. Bis zum Jahresende werden es wohl nur noch 3,2 Prozent sein – und in Berlin könnte sogar erstmals eine Zwei vor dem Komma stehen, prognostiziert JLL.
Kein Wunder, dass deutsche Anleger bereit sind, höhere Risiken einzugehen, wenn sich damit auch höhere Renditen erzielen lassen. Laut Brickvest-Umfrage liegt der Risikoappetit deutscher Investoren mit einem Indexwert von 62 weit über dem Mittelwert von 52. Alexander Kropf, der als Chef des Capital-Markets-Bereich beim Immobilienhaus Cushman & Wakefield in Deutschland die nationale und internationale Kundschaft berät, bestätigt diesen Trend: Das Interesse richte sich längst auch auf Studentenapartments oder Pflegeheime – Immobilien, die vor Jahren eher als gefährliche Nischenprodukte galten.